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Fest im Landschloss Ort 2017


Das vom Forstverein für OÖ. u. Sbg. gemeinsam mit der FAST Ort veranstaltete FEST IM LANDSCHLOSS ORT fand heuer am 7. Juli 2017 statt. Thema der Veranstaltung war "Wald & Holz für`s Leben". In Lesungen von DI Mag. Johannes WOHLMACHER, Präsident des Forstvereins, Oberforstmeister des Stiftes Schlägl, Eunike RAHOFER, Kräuterpädagogin, und Dr. Hans PESENDORFER, prakt. Arzt, wurde die Vielfalt der Heilkräfte des Waldes vermittelt. Die Veranstaltung wurde von der Köcker Musi aus Ohlsdorf begleitet.

Besonderen Beifall fand die Lesung von Johannes WOHLMACHER zum Thema "Der Wald als Inspiration für`s Leben". (siehe nachfolgenden Text und Foto).

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich begrüße Sie sehr herzlich hier in der Hirschlacke, unserem ersten Exkursionspunkt. 1977 wurde diese Dauerversuchsfläche angelegt, um die Wirkungen der Zielstärkennutzung zu beobachten, zu messen und ertragskundlich zu erforschen. 3,46 Hektar ist die Fläche groß, jeder Baum mit seinen Koordinaten, mit Brusthöhendurchmesser, Höhe und Kronenansatz eingemessen. Am Beginn der Messungen standen hier 400 Bäume pro Hektar und der Vorrat betrug 645 Vorratsfestmeter, ebenfalls pro Hektar. Alle fünf Jahre wurde hier eine Nutzung durchgeführt und die ertragskundlichen Ergebnisse darf ich ihnen nun präsentieren. So, oder auch nur so ähnlich stelle ich bei den vielen Exkursionen durch unseren Stiftswald die Hirschlacke vor. Meist sind es ja Forstleute, die sich einen Wald mit forstlichen Augen und forstlichem Wissen anschauen. Ertragsklasse, laufender Zuwachs und Hiebsatz sind dabei genauso wichtig, wie die Holzerntekosten und die Durchschnittserlöse beim Holzverkauf. Und wenn man dann glaubt, alles, was an diesem Punkt wichtig ist, gesagt zu haben, stellt sicher irgendjemand noch die Frage nach der Jagd und wie man denn diese geregelt habe.

Nur einmal, da kam eine ganz andere Frage, eine Frage, die ich ihnen nicht vorenthalten möchte, sondern gleich einmal an Sie alle richten werde. Diese Exkursionsgruppe waren Studenten aus München, eine interdisziplinäre Gruppe, Forst- und Kunststudenten waren es. Und die Frage, die ich jetzt auch Ihnen zur stillen Beantwortung gebe, diese Frage lautete: Was ist für Sie der Wald?

Darauf, ich muss es zugeben, war ich nicht gefasst: Was ist für mich der Wald? Und wen meinte er, meinte er den Forstmann in mir, oder den Theologen, oder meinte er einfach nur den Menschen, der ihm ein wenig Einblick in seine Arbeit gewährte? Es war plötzlich still und eine gewisse Spannung lag in der Luft.

Was ist der Wald für mich? Der Wald ist für mich Schöpfung, Schöpfung Gottes, geschaffen und geschenkt, gegeben, als Gabe und Aufgabe. Das ist mein Blick auf den Wald, und ich denke, es ist ein guter Blick, ein Blick der mich immer wieder ins Staunen versetzt. Dieser Blick auf den Wald ist dann genauso der Blick auf mein Leben. Auch das wurde mir geschenkt, gegeben.

Geschenkter Wald, geschenktes Leben, nicht gemacht, sondern geschaffen. Gedanken zur Schöpfung legt mir der Wald, in den ich eintauche, immer wieder ans Herz. Und eine Forstexkursion in die Bibel kommt mir dabei in den Sinn, zu der Bischof Reinhold Stecher einmal eingeladen hatte. Ihm folge ich, wenn ich Sie bitte, mit mir eine Reise zu machen, eine Reise zurück in die Jahrtausende, in eine uns heute oft fremde Sprach- und Vorstellungswelt. Wir müssen dazu eintauchen in das Buch der Bücher, in Bild und Symbolwelt der Genesis. Die Schilderung des Sechstagewerkes mag bei manchem mit dem Flair eines Kindermärchens in Erinnerung hängen geblieben sein, das man nun einmal so, wie es dasteht, nicht ganz ernst nehmen kann. Aber es ist kein Märchen, es ist auch keine Historie. Vielmehr steht man hier vor den Worten eines begnadeten Dichters, vor altorientalischer Poesie, die eben nur mit Bildern, Symbolen und Geschichten zeitlose Wahrheiten aussprechen konnte. Sie heute zu verstehen fällt uns oft schwer.

Unsere Reise in die Welt der Bibel beginnt in Genesis 2,8, dort heißt es sinngemäß: „dass Gott den Menschen in einen Garten setzte, in dem er allerlei Bäume hervor wachsen ließ ..."

Es war ein großes Missverständnis, wenn manche Gelehrte diesen Garten Eden, persisch Paradeisos, Paradies genannt, irgendwo auf der Landkarte gesucht haben. Dieses Stück Wald ist nicht geographisch, sondern literarisch — symbolisch auszumachen. „Eden" heißt nämlich so viel wie „Glück". In allen altorientalischen Literaturen ist ein Garten mit Bäumen der Inbegriff der Seligkeit. In einer Gegend, in einer Landschaft, die hauptsächlich aus kargen Steppen und wasserlosen Wüsten besteht, ist das durchaus verständlich. Und deshalb preist auch der orientalische Poet die Gärten. Schon eineinhalbtausend Jahre vor Christus wird in ägyptischen Bildern der Garten als Symbol glücklichen Lebens im Jenseits dargestellt. Und zum sterbenden Verbrecher am Kreuz spricht Christus die Worte: „Heute noch wirst du bei mir im Paradies sein" - im ewigen Garten Eden. Wenn also Gott den Menschen in der Genesis in einen Garten setzt, dann heißt das in unsere Sprache übersetzt: Gott wollte und will, dass der Mensch glücklich sei.

In Genesis 2,15 heißt es dann weiter: „Gott nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und behüte.."
Beim Wort „Bebauen" dürfen wir uns durchaus in den Wald versetzt fühlen. Und beim hier verwendeten griechischen Wort „ergazomai" (hebr. Abad) können wir ruhig Axtschläge oder Motorsägen heraushören. Denn das Wort "ergazomai" taucht noch an anderer Stelle im Alten Testament auf, und zwar im zweiten Buch der Chronik, und da heißt es dann wörtlich „Bäume fällen" und „Holz bearbeiten".
Der grüne Garten ist uns also vom Schöpfer nicht nur zum Lustwandeln geschenkt, sondern auch zur Nutzung und Arbeit, zur Aufgabe und Verantwortung.

Zum Bebauen nennt die Bibel aber auch das Behüten. Der hier verwendete Ausdruck (griech. Phylassein, Hebr. Schamar) ist etwas tiefsinniger, als nur ein nüchternes, rational begründetes Aufpassen. Er meint eindeutig: „ehrfürchtig behüten".
Ehrfurcht vor der Schöpfung, Ehrfurcht vor der Natur. In diesem „ehrfürchtigen Behüten" der Genesis schwingt etwas mit von Geschenk und Schönheit, tausendfältigen Wundern der Natur und einem göttlichen Geheimnis in allen Dingen. In Genesis 2,17 heißt es dann: „Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen. Aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen darfst du nicht essen. Wenn du davon isst, wirst du sterben."

Hier hilft uns wieder ein Blick auf die altorientalische Literatur, um zu erahnen, was damit gemeint ist. „Erkennen, was gut und böse ist", heißt im Alten Orient und der semitischen Sprachwelt immer: Oberster Richter sein, das heißt: Gott sein.
Das auf den ersten Blick unverständliche Verbot, vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, heißt also in unserer modernen Sprache: „Mensch, du darfst ihn bebauen und musst ihn behüten. Aber eines darfst du nicht: Du darfst dich nie zu Gott machen. Du bist nicht der Herr der Welt. Hüte dich vor Hybris und selbstherrlicher Arroganz, die sich über jedes Gebot hinwegsetzt. Das wäre dein Untergang. Denn ich bin der Schöpfer des Seins, der Herr der Geschichte und der Schicksale und der Urgrund des Heils, nicht du!"

Reizen und verlocken tun uns diese Früchte immer noch, aber ob sie uns bekommen, darüber können wir während des nun folgenden Musikstückes nachdenken.

Alte, starke und mächtige Bäume, Tannen, Buchen, Lärchen und Fichten kommen mir in den Sinn, ihnen begegne ich, wenn ich durch den Wald spaziere, und ich bewundere sie, wie sie Wind und Wetter trotzen, wie sie fest verwurzelt, der Sonne und dem Himmel entgegenwachsen, und dabei gleichzeitig über sich selbst hinausweisen.
Inspirationen und Anregungen für unser Leben hält der Wald bereit. Diese alten und fest verwurzelten Bäume, die fragen mich unweigerlich nach meinen Wurzeln, nach meinen Lebenswurzeln, die fragen auch, wie tief sie gehen, oder ob sie flach geblieben sind. Was gibt mir Halt, das wollen die Baumwurzeln von mir wissen. Womit gebe ich mich zufrieden, mit Oberflächlichkeit oder strebe ich nach Tiefgang.

Das Leben als letzte Gelegenheit — so heißt ein Buch von Marianne Gronemeyr — und darin schrieb sie einmal: Früher, da lebten die Menschen 50, 60, 70 Jahre und dann ewig, heute leben sie 70, 8o oder 90 Jahre, und dann nichts mehr. Wenn nach dem Leben nichts mehr kommt, dann wird die Zeit knapp, dann heißt es, sie aus- und anzufüllen, alles auszukosten. Da besteht dann keine Zeit mehr, seine Lebenswurzeln tiefer zu schlagen, dann gibt man sich mit der Oberflächlichkeit zufrieden, denn Hauptsache ist, man hat nichts versäumt und alles ausgekostet. Nur, das wird nicht gelingen, es wird immer etwas geben, was man noch nicht erlebt oder durchlebt hat, es wird immer etwas geben, dessen Geschmack man noch nicht auf der ’Lunge verspürt hat. So hinkt man dem Leben ständig hinterher.
Ein Leben mit Tiefgang gibt sich damit nicht zufrieden, denn seine Wurzeln reichen tiefer, reichen hinein in die Ewigkeit Gottes. Wer in seinem Leben Gott vertraut, wer sich in ihm fest macht, der erahnt: Das Beste kommt erst noch! Ein in Gott verwurzeltes Leben ist nicht sorgenfrei, Gott räumt uns keine Schwierigkeiten aus dem Weg, aber er eröffnet uns Wege, mit ihnen umzugehen, mit ihnen zu leben. „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!" davon weiß schon der Psalmist ein Lied zu singen.

Bei einem Waldspaziergang sich einmal zu einem alten, starken Baum hinzustellen, ihn vielleicht sogar zu umarmen und zu bestaunen, das kann durchaus in der Frage münden: Baum, wie tief gehen deine Wurzeln? Wir sollten dann aber nicht erstaunt sein, wenn der Baum die gleiche Frage an uns richtet: Und wie tief gehen deine?
Und der Blick nach oben, der Blick in die Kronen, dieser Blick erforscht unweigerlich meine Blickrichtung, worauf ich schaue und worauf ich zugehe. Woran habe ich mein Herz gehängt — auch diese Frage kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich meine Augen einem Baumstamm entlang in dessen Krone und in den Himmel schweifen lasse.

Was man dazu braucht, das ist Ruhe, das ist Stille, und die stellt sich bei einem Aufenthalt im Wald wie von selber ein, wenn man es an sich geschehen lässt. Die Erhabenheit und Schönheit der Bäume lassen staunen, staunen und schweigen. Da stört dann jeder Ton, der nicht in den Raum des Waldes gehört. Im Schweigen, da komme ich zu mir selber. Es ist Mahatma Gandhi, der einmal sagte:
„Im Zustand des Schweigens findet die Seele ihren Weg in einem klaren Licht und alles Trügerische und alle Täuschung lösen sich auf in kristallene Klarheit.
Die Seele braucht Ruhe, um zu ihrer vollen Größe zu gelangen."
Ruhe tut gut und Schweigen tut gut, und ein Aufenthalt im Wald, die Rast unter einem Baum, sie können uns dabei helfen, beides zu entdecken und so ein stückweit zu uns selber zukommen.
Was es mir im Wald noch angetan hat, das ist die Rinde, die Rinde der Bäume, die so unterschiedlich sein kann. Grob oder fein, glatt oder wellig, aufgerissen und verletzt, oder heil und ganz, und keine von ihnen gleicht der anderen. Diese so unterschiedlichen Baumrinden lassen mich an Menschen denken, die ich kenne, mit denen sich irgendwann meine Wege kreuzten. Auf die Rinde zu schauen, das ist, wie wenn ich jemandem in das Gesicht blicke und dabei seine Falten betrachte, die sein Leben erzählen.

Wenn ich alt werde
möchte ich Falten haben.
ganz viele Falten:
vom Lachen
Lächeln
Schmunzeln
Gütigsein
Sorgenmachen über und für andere.
Meine ganze Geschichte soll in meinem Gesicht stehen
und jeder, der sie liest, soll sagen:
das ist eine gute Geschichte.
Mein Gesicht soll eine Landschaft werden
mit Berg und Tal,
in denen Menschen sich verlieren und
wiederfinden können.
Mit Furchen.
in denen der Schabernack lauert
in Winkeln voll Güte und Trost,
mit Ebenen, um sich auszuruhen,
und Gruben, in denen man sich geborgen fühlt.

Und jeder soll sagen:
Das ist eine gute Landschaft,
das ist die Landschaft,
die ein Mensch ist.

Eine der liebsten Zeiten im Wald ist mir der Herbst geworden. Sicher freue ich mich nach dem Winter, nach dem Schnee und dem Grau, das sich in dieser Jahreszeit über unsere Landschaft, oft auch über unser Leben legt, auf die neuen, frischen und grünen Blätter der Buchen und all der anderen Laubbäume, die sich langsam dem Licht der Sonne entgegenstrecken. Das Kronendach des Waldes schenkt mir im Sommer kühlenden Schatten, wenn die Sonnenstrahlen auf einen niederbrennen. Orte des Ausruhens, des zu sich selber Kommens, die sind einfach notwendig. Die bunten Farben des Herbstes, die langsam zu Boden schwebenden Blätter, die haben es mir angetan. Und wann immer ich das bei meinen Waldbesuchen erlebe, durchdringt mich der Duft von Vergehen und Neubeginn, spüre ich etwas von Kommen und Gehen in mir. Die fallenden Blätter, die stellen mir gleichzeitig die Frage, wo hast du etwas von dir hergegeben, damit andere zum Leben kommen. Von Rainer Maria Rilke stammt das abschließende Gedicht, mit der Überschrift:

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen, diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.


Bilder von der Veranstaltung:

Lesung von Dr. Hans Pesendorfer Vortragende von v.l.n.r.: Präs. FM DI Mag. Johannes Wohlmacher, Eunike Grahofer, Dr. Hans Pesendorfer Köcker Musi, Ohlsdorf (musikalische Begleitung) Das "Fest im Landschloss Ort" war auch heuer wieder gut besucht. Das "Fest im Landschloss Ort" wurde heuer neben vielen Forstleuten auch von zahlreichen Nicht-Forstleute besucht.

  • Lesung von Präsident FM DI Mag. Wohlmacher